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Alois Koch - Würdigung von Jakob Wittwer


Lieber Köbi

Als Du mir anfangs Oktober ein sehr persönliches Schreiben zustelltest, wusste ich, dass Du im Begriffe warst – wie es so eindringlich in der Bach-Kantate BWV 106 heisst – «Dein Haus zu bestellen». Als Abschiedsgeschenk hast Du mir Deine Einspielung der Bach’schen Triosonaten auf Deiner farbenreichen Horgener Orgel geschenkt, die ich mir grosser Bewegung angehört habe. Und obwohl ich Dich lange nicht mehr getroffen hatte (das letzte Mal war es in der Kirche von Monte Carasso anlässlich eines Aki-Ausfluges) stand Dein Bild lebensnah vor mir: Eine warmherzige grosse Persönlichkeit, zurückhaltend und bescheiden, doch voll Empathie, Vertrauen und Dankbarkeit. So kannte ich Dich seit je, genauer, seit unserem ersten gemeinsamen Konzert in Horgen mit Werken von Messiaen und Bruckner.

So erlebte ich Dich während Jahrzehnten als lieben Kollegen an der Akademie für Schul- und Kirchenmusik, wo Du mit künstlerischer und menschlicher Fürsorge seit 1978 mehr als 100 Studierende zu erfolgreichen Diplomabschlüssen führtest. Insbesondere die grossen A- und Konzertdiplome waren für mich jeweils wahre Highlights und bestätigten eindrücklich und positiv das Bibelwort «An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen». Dein Unterricht fand ja etwas abseits des Schulzentrums in der stillen Lukaskirche statt, und mit leicht schlechtem Gewissen muss ich bekennen, dass ich da meiner direktorialen Aufsichtspflicht kaum nachgekommen bin. Es war auch niemals notwendig, da nie ein Student oder eine Studentin kritische Rückmeldungen gemacht hatte – ganz im Gegenteil: das Hauptfachstudium bei Dir galt bei Insidern als Privileg.

Der Dozent und Künstler Jakob Wittwer, den ich etwas näher kennen durfte, ist aber nur ein Teil Deiner reichen Persönlichkeit. Du hast Dich darüber hinaus als ebenso sorgfältiger wie inspirierender Kirchenmusiker, als Organist und als Chorleiter während über dreissig Jahren in Horgen engagiert, wo Deine Gottesdienstgestaltungen und Deine reiche Konzerttätigkeit grosse Resonanz erfuhr. Du hast zudem während zwanzig Jahren dort auch eine blühende Jugendmusikschule entwickelt, hast in zahlreichen Gremien mitgewirkt, Dich für die Erarbeitung des neuen Kirchengesangbuches, für den Orgelbau und besonders auch für die Stellung der Musik und der Musiker in der evangelischen Kirche eingesetzt – und Du warst (leider viel zu wenig bekannt!) als v.a. liturgischer Komponist tätig, der ein vielfältiges Oeuvre hinterlässt. Ein wahrliches erfülltes Lebenswerk!

Lieber Köbi

Es gibt da aber noch ein Thema, dass Dich an Deinem Lebensabend sehr beschäftig hat. Ich möchte ich es hier – in Deinem Namen – öffentlich zur Kenntnis bringen: Die Sorge um die aktuelle und künftige Situation der Musik in der Kirche. Sie ist natürlich ein Reflex unserer Gesellschaft und steht in Wechselwirkung zur theologischen und pastoralen Realität, die sich immer mehr am kulturellen Mainstream orientiert – in der Hoffnung, damit den kirchlichen Exodus aufhalten zu können.

Deiner (und auch meiner) Meinung nach ist dies ein Irrweg, hat doch gerade die derzeitige Corona-Problematik vielen Menschen das Bedürfnis nach künstlerischen Werten wieder bewusst gemacht. Das sollte sich auch die Kirche zum Anliegen machen, ist sie doch von ihrer Bestimmung her ein Ort der Besinnung und Einkehr.

Ich hoffe sehr, lieber verstorbener Freund, dass Du dieses, Dein letztes Anliegen auch im Himmel vorbringst. Ich danke Dir!


Brunetto d'Arco - Gedicht für Köbi


Du bist

in den Advent gegangen,

ein Hoffender,

ein Schenkender,

ein Liebender,

ein Licht in düstern Zeiten…



Du wirst den Weg

zur Weihnacht finden,

zum Kind,

in dem die Zukunft keimt,

zu Christus,

der vom Tod befreit.



Meinem lieben Freund Köbi Wittwer auf seinen weiteren Lebens-Weg

Brunetto d›Arco

3./4. XII. 2020